Linker Aufschwung

■ Wahlerfolge für PT in Brasilien

Rio de Janeiro (taz) – Während die Linke weltweit in der Krise steckt, befindet sich die brasilianische „Arbeiterpartei“ (PT) im Erfolgsrausch. Der zähe Einsatz der PT für das „Impeachment“ von Präsident Collor hat sich auffallend positiv in den Ergebnissen der Kommunalwahlen niedergeschlagen: Im ersten Wahlgang eroberten PT-Kandidaten 85 Stadtverwaltungen, in der Stichwahl am 15. November gewann die PT dazu in den Landeshauptstädten Porto Alegre, Belo Horizonte und Goiania. Die der PT nahestehende PSB (Partido Socialista Brasileiro) machte das Rennen in Natal und Florianopolis. In Rio de Janeiro unterlag die Kandidatin der PT, Benedita da Silva, knapp ihrem konservativen Rivalen Cesar Maia.

„Ich bin sicher, daß in Städten, die von der PT regiert werden, kein einziger Unternehmer Beamte bestechen muß, um zu seinem Recht zu kommen“, garantiert Parteivorsitzender Luis Inacio Lula da Silva. „Die Partei ist reif geworden, wir sind bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen.“ Lulas Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 1994 ist bereits beschlossene Sache.

Die Partei entstand 1980 im Milieu der Gewerkschaftsbewegung im Industriedreieck São Paulo. Neben der organisierten Arbeiterschaft gehörten zu den Gründungsmitgliedern von der Militärdiktatur verfolgte Intellektuelle sowie Anhänger der Befreiungstheologie. Franziskaner Leonardo Boff war von Anfang an dabei. Die PT entstand somit nicht als Alternative zur kapitalistischen Gesellschaftsform, sondern als Forum der Opposition gegenüber der auslaufenden brasilianischen Militärdiktatur.

Die politische Verfolgung sitzt vielen Gründungsmitgliedern, die vor der Diktatur (1964–1985) ins Exil flohen, noch heute im Nacken. Die Verteidigung des Rechts auf Meinungsfreiheit sowie demokratischer Pluralismus gehören zu den unantastbaren Grundsätzen der Partei. Auf dem Parteikongreß im vergangenen Jahr wurden alle radikalen linken Untergruppen (Trotzkisten, Leninisten und Maoisten) aus der Partei ausgeschlossen.

Die Partei verfügt über keine offizielle Ideologie oder ein festgeschriebenes Programm. Die Chefideologen behelfen sich mit einer Reihe von Negativ-Definitionen: Die PT lehnt die Revolution als Mittel politischer Umgestaltungen ab. Der sozialdemokratische Wohlfahrtsstaat dient nur als vorübergehendes Leitbild: Er fungiert als Zwischenstation auf dem Weg zum Sozialismus. Wie der von der PT angestrebte Sozialismus aussehen soll, weiß niemand so recht. In der politischen Praxis umfaßt der Forderungskatalog der PT die „Entprivatisierung der Staatsbetriebe“, die Anregung von Kooperativen, insbesondere auf dem Land, sowie die Garantie auf unbeschränkten Zugang aller Brasilianer zu Bildung und Gesundheit. Astrid Prange